„Gackern weckt die Lebensgeister“

Sie gurren, glucksen, krähen: Lachyogis versteigen sich in Albernheiten. Ein Erfahrungsbericht über eine überraschend vernünftige Zusammenkunft.

Flensburg. Hoffentlich sieht uns niemand. Ich stehe in einem kleinen Raum des Kulturtreffs "Altes Heizwerk" in Engelsby, umringt von sechs Frauen zwischen 50 und 80. Jede von uns hält einen imaginären Creme-Tiegel in der Hand. "Und jetzt reiben wir uns mit unserer Lach-Salbe ein", instruiert Kursleiterin Eike Schröder.

Um mich herum spachteln sich die Damen völlig selbstverständlich unsichtbare Creme auf Gesicht und Dekoltee. Prompt zieht ein Kichern durch den Lachclub, wächst sich binnen Sekunden zu lautstarkem Juchzen aus. Mein Mund steht offen, doch ich bringe keinen Ton hervor. Na, das kann ja heiter werden.

Beschwipste "Ohs" und "Ahs" auf dem imaginierten Laufsteg

"Fake it until you make it" - "täusche das Lachen vor, bis du es wirklich schaffst" - lautet das Motto der Lachyogis. "Mitgefangen, mitgehangen", denke ich und bringe ein hölzernes "Ha-ha-ha" heraus. Angeblich spielt es für das Gehirn keine Rolle, ob ein Mensch tatsächlich lacht oder das Lachen bloß imitiert, in beiden Fällen würden Glückshormone ausgeschüttet. Ich spüre nichts.

Inzwischen hat Schröder den Kursraum zum Laufsteg erklärt. Schon stolzieren die Damen auf und ab, bewundern sich im fiktiven Wandspiegel, alle naslang macht jemand "Oh" oder "Ah" . Das hebt die Laune, um mich herum kichern die Teilnehmer beschwipst.

Die Münder zum kollektiven Gackern aufgerissen

Ohne Mühe stiftet Eike Schröder ihre Schäfchen zu den größten Albernheiten an. Als Legitimation kann sie die Abschluss-Urkunde einer Hamburger Lachyoga-Stätte vorlegen. Ihren Schülern dürfte das egal sein: Die sechs Damen haben die Münder zum kollektiven Gackern aufgerissen. Einen kurzen Augenblick lang erinnert mich ihre Hysterie an eine Szene aus einem Horrorfilm; der Verstand klinkt sich aus.

Und plötzlich ist mein Kopf ganz leer. Eine Kursteilnehmerin reicht mir die Hände, wir glucksen blöd, ich kenne die Dame kaum eine halbe Stunde. Alles dreht sich, just folgt die nächste Übung: Wie Kinder erfinden wir beim sogenannten "Gibberish" unsere eigenen Phantasiesprachen. "Da kann sich jeder seine Probleme von der Seele reden, ohne jemand anderem zur Last zu fallen", erklärt Eike Schröder und beginnt, "la-la-la-la-da-da-ba." In Hamburg gebe es ganze "Gibberish"-Parties, auf denen Großstädter gemeinsam gegen ihren Stress anbrabbeln. Aber das ist was für Fortgeschrittene.

Abschied mit Geheul und Schimpansen-Gekreisch

Im "Alten Heizwerk" entspannen sich die Gesichter. Später werden mir die Damen berichten, dass Lachyoga gegen Nackenschmerzen, Migräne und Tinitus helfe. Sogar Lebenslust könne es zurückbringen. Eine Teilnehmerin hatte gerade ihren Mann verloren, als sie zum ersten Mal in den Engelsbyer Lachtreff kam. Seither kichert sie fast wöchentlich gegen die Einsamkeit. "Trauern kann man trotzdem, das ist kein Widerspruch", meint Eike Schröder.

Zum Abschied wird es dann noch einmal richtig affig: Die Kursleiterin führt uns auf einer Traumreise durch den Dschungel. Jeden Urwaldbewohner, dem wir begegnen, ahmen wir nach. Es dauert nicht lange, bis wir einander mit Geheul und Schimpansen-Kreischen zu den tollsten Lachanfällen anstiften. Noch Stunden später gluckse ich entrückt in die Welt. Wer hätte das gedacht.

Zentrale Idee beim Lachyoga ist, dass man durch Lachen einfach und schnell einen meditativen Zustand erreicht. Lachen sei gesund, entspanne und helfe gegen zahlreiche Krankheitssymptome, heißt es. Madan Kataira, ein Arzt aus Mumbai, verbreitet das Lachyoga seit Mitte der 90er Jahre weltweit. Die Flensburger Leiterin des Lachyoga-Seminars, Eike Schröder, hat den Inder auf einem Kongress persönlich kennengelernt. Sie  leitet folgende Lachclubs in Flensburg:  in  Engelsby in der Kulturwerkstatt, "Altes Heizwerk", Mozartstraße 36a, dienstags von 9.30 bis 10.30 Uhr; in  Jürgensby in der Altentagesstätte, Jürgensgaarder Straße 1, freitags von 9.30 bis 10.30 und 17-18 Uhr. Neugierige sind willkommen.

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